Pages

Thursday, July 19, 2012

Die Neue Logik - Es war einmal in 1928

Rudolf Carnap - Quelle: www.carnap.org
Rudolf Carnap -
Quelle: www.carnap.org
Begeistert und inspiriert durch Carnaps Vorwort aus seinem 1928 erschienen Werk "Der logische Aufbau der Welt" hatte ich auf dem vierten Salon Edelstahl (circa 2003) eine Lobrede auf die "Neue Logik" gehalten. Die Rede war kurz und knapp, und so habe ich mich entschieden, die noch mal zu veröffentlichen. 


Der Salon Edelstahl war der private Vorläufer der berüchtigten Boheme Sauvage Party. Der Salon Edelstahl - in den Gemächern ausgerichtet von Else Edelstahl - hatte eine deutlich rollenspielerische Richtung. Ich erschien als Gregor Theis, Doktor der Philosophie und der Logik und Teilnehmer des Wiener Kreis. 


Wer, wie ich, den logischen Empirismus für eine der wichtigsten Impulse für die moderne und menschennahe Wissenschaft sieht, wird sicher Gefallen an meiner nur leicht zusammengefassten Version aus Carnaps legendärem Vorwort haben. 
Die Mathematiker haben in den letzten Jahrzehnten eine neue Logik aufgebaut. Sie sind durch die Not, durch die Grundlagenkrise der Mathematik dazu gezwungen worden, da die alte Logik in dieser Krisis vollständig versagte. Es wurde nicht etwa nur ihre Unzulänglichkeit in dieser schwierigen Problemsituation festgestellt, sondern weit Schlimmeres, das Schlimmste, was einer wissenschaftlichen Lehre zustoßen kann: sie führte zu Widersprüchen. Das gab den stärksten Antrieb zum Aufbau einer Neuen Logik. 

Ihre hervorragende Bedeutung für die gesamte Philosophie wird nur von wenigen geahnt; ihre Auswertung auf diesem Felde hat kaum erst begonnen. 

Wenn die Philosophie willens ist, den Weg der Wissenschaft im strengen Sinne zu betreten, so wird sie auf dieses durchgreifend wirksame Mittel zur Klärung der Begriffe und zur Säuberung der Problemsituation nicht verzichten können. 

Die neue Art des Philosophierens ist entstanden in enger Berührung mit der Arbeit der Fachwissenschaften, besonders der Mathematik und Physik. Das hat zur Folge, dass die strenge und verantwortungsbewusste Grundhaltung des wissenschaftlichen Forschers auch als Grundhaltung des philosophischen Arbeitens erstrebt wird, während die Haltung des Philosophen alter Art mehr der eines Dichtenden gleicht. 

Als man begann mit der wissenschaftlichen Strenge auch in der Philosophie Ernst zu machen, musste man notwendig dahin kommen, die ganze Metaphysik aus der Philosophie zu verbannen. Denn: 

Jede wissenschaftliche These muss sich empirisch-rational begründen lassen. 

Auch wir haben „Bedürfnisse des Gemüts“ in der Philosophie; aber die gehen zurück auf 
  • Klarheit der Begriffe, 
  • Sauberkeit der Methoden, 
  • Verantwortlichkeit der Thesen, 
  • Leistung durch Zusammenarbeit, in die das Individuum sich einordnet. 

Wir können uns nicht verhehlen, dass die Strömungen auf philosophisch-metaphysischem und auf religiösem Gebiet, die sich gegen eine solche Einstellung wehren, gerade heute wieder einen starken Einfluss ausüben. Was gibt uns trotzdem die Zuversicht, mit unserem Ruf nach Klarheit, nach metaphysikfreier Wissenschaft durchzudringen? 
Das ist die Einsicht, oder, um es vorsichtiger zu sagen, der Glaube, dass jene entgegenstehenden Mächte der Vergangenheit angehören. 

Wir spüren eine innere Verwandtschaft der Haltung, die unserer philosophischen Arbeit zugrunde liegt, mit der geistigen Haltung, die sich gegenwärtig auf ganz andere Lebensbereiche auswirkt; wir spüren diese Haltung in Strömungen der Kunst, besonders der Architektur, und in den Bewegungen, die sich um eine sinnvolle Gestaltung des menschlichen Lebens bemühen, des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens, der Erziehung, der äußeren Ordnung im Großen. Hier überall spüren wir dieselbe Grundhaltung, denselben Stil des Denkens und Schaffens. Es ist die Gesinnung, die überall auf Klarheit geht und doch dabei die nie ganz durchschaubare Verflechtung des Lebens anerkennt, die auf Sorgfalt in der Einzelgestaltung geht und zugleich auf Großlinigkeit im Ganzen, auf Verbundenheit der Menschen und zugleich freie Entfaltung des Einzelnen. 

Der Glaube, dass dieser Gesinnung die Zukunft gehört, trägt unsere Arbeit.